Interview mit Guðmundur Óli Pálmason (Katla.)

interview katla 01Wie meine Redaktionskollegin Sarah-Jane in ihrem Artikel bereits angekündigt hat, haben wir vom Neckbreaker Magazin in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Interviews geführt mit Vertretern der nationalen und internationalen Kulturszene - genauer gesagt mit vielen verschiedenen Veranstaltern, Bands, Künstlern und Promotern.
Wir möchten damit den Menschen, die für uns Musikliebhaber mit ihrer Kreativität und ihrem Engagement so besonders wichtig sind, eine Plattform bieten, euch und uns mitzuteilen, wie sie mit den Einschränkungen durch die "Corona-Maßnahmen" leben und umgehen.

Die erste Band, die zu Wort kommen darf, ist gleichzeitig in regionaler Hinsicht auch ein Exot, denn ganz so viele Bands aus Island hat man als normalsterblicher Musikhörer nicht auf seinem Zettel stehen. Umso dankbarer sind wir, dass sich Guðmundur, oder einfach Gummi, von KATLA. die Zeit genommen hat, unsere Fragen zu beantworten. Das Interview wurde aufgezeichnet von unserer Redakteurin Anne, die bereits vor 2 Jahren mit Gummi ein sehr ausführliches Interview gemacht hat.   

Neckbreaker Magazin: Wie beeinflusst das Kontaktverbot Eure tägliche Arbeit? Welche Auswirkungen hat das ganz konkret auf Euch? Wie probt Ihr zum Beispiel aktuell?

Gummi: Es hat keinen großen Einfluss auf die Band, um ehrlich zu sein. Wir mussten ein Festival canceln und ich bin sicher, dass das gleiche mit den übrigen Festivals passieren wird, für die wir diesen Sommer gebucht sind. Alles in allem handelt es sich um vier oder fünf Festivals. Wir sind keine große Band und wir verdienen mit dieser Band sowieso kein Geld.

Für mich persönlich hat es einen großen Einfluss auf meine Finanzen, da ich in der Tourismusbranche in Island arbeite(te) und im Moment gibt es keinen einzigen Touristen in Island und sie werden so schnell nicht wieder zurückkommen. Die anderen (Einar und unsere Livemusiker Hörður und Ingvar) waren klug genug, kein Teil der Tourismusbranche zu sein, von daher denke ich, ihnen geht es gut.
Als Band proben wir sowieso nur vor den Shows, von daher müssen wir jetzt nicht proben. Wir nutzen die Zeit, um unser neues Album fertigzustellen. Einar mixt es und ich entwerfe das Artwork.

Neckbreaker Magazin: Haltet Ihr persönlich das Veranstaltungsverbot/Kontaktverbot für eher angemessen oder eher übertrieben?

Gummi: Ich denke, es ist das, was getan werden muss.

Neckbreaker Magazin: Wärt Ihr als Band ggf. bereit Veranstaltern und Clubs zu helfen, bsppw. durch Verzicht auf Gage?

Gummi: Nein. Haha, ich habe überlegt, diese Frage auszulassen, aber gut, ich werde es erklären. Wie spielen sowieso selten lokal. Wir haben bisher einmal in Island gespielt und wir werden es wahrscheinlich nie wieder tun (ihr könnt das dann auf unserer Facebookseite lesen). Die Clubs haben sich nie um die Künstler geschert und es wird ihnen ohnehin wieder gut gehen sobald die Leute wieder ausgehen und trinken werden. Ich bin mehr um meine persönlichen Finanzen besorgt und um die Finanzen meiner Freunde in der ganzen Tourismusbranche in Island.

Neckbreaker Magazin: Welche Maßnahmen, ggf. auch freiwillige, werdet Ihr ergreifen, damit Besucher zukünftig sicher Eure Konzerte besuchen können? Rechnet Ihr in Zukunft mit konkreten Auflagen des Gesetzgebers bei der Durchführung von Events? Wann glaubt Ihr, geht es endlich mit Konzerten und Festivals wieder weiter?

Gummi: Das ist unmöglich zu sagen. Ich bin sicher, der ganze Sommer wird abgesagt werden, vielleicht auch der Winter. Bezüglich Sicherheitsmaßnahmen: Ich denke wir werden den gleichen Weg wie Darkthrone gehen (ihr könnt das dann auf unserer Facebookseite lesen).

Neckbreaker Magazin: Wie steht Ihr zu dem Thema Livestreaming von Konzerten?

Gummi: Ich finde sie sind fantastisch für die Leute, die das sehen wollen obwohl ich persönlich das nicht verstehe. Warum sollte man eine Band über seinen Computer „live“ hören wollen wenn ihr Album wahrscheinlich millionenfach besser klingt? Du bist nicht da, um die Energie zu erfahren, den Schweiß, den unangenehm feuchten Geruch eines muffigen Kellerclubs, das Arschloch neben dir, dass dir sein Bier überkippt während es “SLAAAAYYYYYAAAAH” brüllt obwohl Slayer gar nicht spielen.

Neckbreaker Magazin: Habt Ihr bereits eine staatliche Unterstützung erhalten oder habt Ihr Hoffnung darauf, dass der Staat Euch unterstützt?

Gummi: Die Band nicht und das wird auch nicht passieren. Persönlich ebenfalls nicht, obwohl ich es hoffe. Ich habe als selbstständiger Unternehmer gearbeitet, daher bin ich technisch gesehen nicht arbeitslos, es gibt bloß keine Kunden. Wir werden sehen.

Neckbreaker Magazin: Was hättet Ihr als Teil der Kulturszene anders gemacht, wenn Ihr auf Entscheidungen hättet Einfluss nehmen können?

Gummi: Das ist eine gute Frage, denn ich hätte nichts anders gemacht. Ich bin kein Pandemieexperte. In Zeiten wie diesen zeigt es sich, wie wichtig es ist, auf richtige Wissenschaftler zu hören und nicht auf eine Impfgegnermutter, die ihre „Nachforschung“ auf YouTube gemacht hat, indem sie sich nur Videos ansieht, die ihrer Meinung entsprechen. Hier in Island haben wir zumindest eine Sache richtig gemacht: Politiker sagen nicht wo es langgeht. Wir haben ein Team von Wissenschaftlern, die die Entscheidungen treffen. Bedeutet das, dass sie immer die richtigen Entscheidungen treffen? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass es wahrscheinlicher ist, dass sie es tun als irgendwelche Politiker, die keine Pandemieexperten sind. Im Gegensatz dazu, seht euch die Scheiße in den USA an. Ich würde sagen, es ist ein Witz, aber es ist kein Witz, weil Tausende Menschen sterben werden, weil sie in einer Idiokratie leben.

Neckbreaker Magazin: Wie können Fans und Interesierte Euch ganz konkret unterstützen? Plant Ihr oder habt Ihr schon ein Crowdfunding?

Gummi: Nein, wir haben kein Crowdfunding und ich glaube auch nicht, dass wir eines starten werden. Ich persönlich denke, dass sie missbraucht werden. Benutzt Crowdfunding für Kinder mit Krebs, nicht für Künstler. Aber falls uns jemand unterstützen möchte, kann er unser Merch kaufen:

Katla.-Merch

Neckbreaker Magazin: Vor was habt Ihr momentan am meisten Angst?

Gummi: Gespenster. Oder meint ihr die aktuelle Situation? Haha. Für mich persönlich sind es zwei Dinge: Meine Freundin stammt aus dem Libanon, aber sie studiert in Großbritannien. Sie steckt nun da fest, da Großbritannien zu spät reagiert hat. Als ihre Universität den Unterrichtsbetrieb gestoppt hat, war der Libanon bereits abgeriegelt. Sie kann nicht nach Hause zurückkehren und sie kann nicht hierher kommen und ich habe keine Ahnung, wann ich sie wiedersehen werde.
Und zweitens habe ich Angst um meine Finanzen, wie ich schon erklärt habe. Ich habe keine Ahnung, wann der Tourismus wieder anlaufen wird, aber ich weiß, dass es eine lange Zeit dauern wird, bis er sich erholt hat und weder meine Musik noch meine Fotografie (Ich verkaufe Drucke, die ich von alten Polaroids herstelle) bringen genug Geld ein, dass ich mich davon ernähren könnte.

Neckbreaker Magazin: Könnt Ihr der Situation eigentlich auch etwas Positives abgewinnen?

Gummi: Ja. Wir haben alle gerade mehr Freizeit. Nutzt sie klug. Verbringt sie mit euren Lieben, wenn ihr könnt und ich fordere jeden auf, sich künstlerisch zu betätigen, auch wenn man noch nie Kunst gemacht hat. Jede künstlerische Kreation bedeutet positive Energie. Oder verbessert eine Fähigkeit oder lernt etwas Neues. Ich kann auch jedem nur raten, zu Hause zu trainieren. Setzt keine Covid-Kilos an. Schaut nicht auf diese Zeit zurück und merkt, dass ihr nichts anderes gemacht habt als faul zu sein, Pizza zu essen und Tiger King zu gucken.

Neckbreaker Magazin: Vielen Dank für das interessante und ehrliche Interview und weiterhin Alles Gute für Euch.

interview katla 02Bildquelle: Band

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