Interview mit Peter Harasim (Concertbüro Franken/Hirsch Club, Nürnberg)

kolumne 20200525 concertbürofrankenWie meine Redaktionskollegin Sarah-Jane in ihrem Artikel bereits angekündigt hat, haben wir vom Neckbreaker Magazin in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Interviews geführt mit Vertretern der nationalen und internationalen Kulturszene - genauer gesagt mit vielen verschiedenen Veranstaltern, Bands, Künstlern und Promotern.
Wir möchten damit den Menschen, die für uns Musikliebhaber mit ihrer Kreativität und ihrem Engagement so besonders wichtig sind, eine Plattform bieten, euch und uns mitzuteilen, wie sie mit den Einschränkungen durch die "Corona-Maßnahmen" leben und umgehen.

Eine der ältesten lokalen Veranstalter ist das Concertbüro Franken, das in der Gegend um Nürnberg tätig ist und zu dem der Club "Hirsch gehört. Größere Events finden in der Meistersingerhalle, dem Löwensaal oder dem Serenadenhof statt. Mit dem "Lieder Am See" am Brombachsee in der fränkischen Seenplatte hat man auch ein eigenes Classic Rock-Open Air etabliert, welches zu den schönsten und familienfreundlichsten Locations zählt. In diesem Jahr wollte unser Redakteur Rainer Petry mit seiner Tochter das Festival besuchen, es wäre ihr erstes Konzert gewesen. Leider muss die Kleine, die ja auch schon hier mithalf Kinderthemen zu besprechen, noch weiter warten. Bei der Nachfrage nach der Zukunft des Open Airs Anfang Mai war mit Geschäftsführer Peter Harasim ein alter Haudegen der Rockszene so nett unsere Fragen zum Corona-Thema zu beantworten.

Neckbreaker Magazin: Wie beeinflusst das Veranstaltungsverbot Eure tägliche Arbeit? Welche Auswirkungen hat das ganz konkret auf Euch?

Peter Harasim: Von einem Tag auf den anderen haben wir NULL Umsatz. Keine der noch 380 Veranstaltungen die wir für 2020 geplant haben kann gesichert über die Bühne gehen. Unsere Mitarbeiter sind allesamt auf Kurzarbeit. Für uns und für unsere gesamte Branche ist es ein Albtraum.

Neckbreaker Magazin: Haltet Ihr persönlich das Veranstaltungsverbot für eher angemessen oder eher übertrieben?

Peter Harasim: Persönlich sehe ich die meisten Ansagen als angemessen und gerechtfertigt an. Ich stelle nicht wirtschaftliche Erwägungen über das menschliche Wohlergehen. Es geht bei Bekämpfung der Pandemie in erster Linie Menschenleben zu bewahren. Das öffentliche Leben muss halt langsam auf Sicht und mit Augenmaß wieder hochfahren.

Neckbreaker Magazin: Erwartet Ihr, dass Euch später mal Bands ganz konkret unterstützen werden, z.B. durch den Verzicht auf Gage?

Peter Harasim: Die meisten Künstler sind in derselben Schieflage denn auch ihnen brechen alle Einnahmen weg. Nach Ende der Krise werden Veranstalter sogar noch vorsichtiger kalkulieren müssen wir bislang.

Neckbreaker Magazin: Welche Maßnahmen, ggf. auch freiwillige, werdet Ihr ergreifen, damit Besucher zukünftig sicher Eure Konzerte besuchen können? Rechnet Ihr in Zukunft mit konkreten Auflagen des Gesetzgebers bei der Durchführung von Events und was würde Euch vor besonders große Herausforderungen stellen? Wann glaubt Ihr, geht es endlich mit Konzerten und Festivals wieder weiter?

Peter Harasim: Völlige Sicherheit wird es wohl erst geben wenn die Ansteckungsgefahr und die Sterberaten so reduziert sind daß das Risiko verschwindend ist. In der Regel können wir aber Künstler, die beispielsweise im „Hirsch“ 500 Leute ziehen nicht kostendeckend mit 80 Leuten veranstalten. Das ist sicher logisch. Normalbetrieb heißt dass alle Kapazitäten wie in der bisherigen Form wieder genutzt werden können.

Neckbreaker Magazin: Befürchtet Ihr, dass das aktuell weit verbreitete Livestreaming von Konzerten zukünftig negative Auswirkungen auf Euer Business haben wird?

Peter Harasim: Nein, denn Live-Streaming ersetzt keine Konzerte. Es ist aber ein gutes Signal wenn alle möglichen Künstler – vom Rocker bis zu den DJs auf diese Weise Kontakt mit ihrem Publikum halten.

Neckbreaker Magazin: Habt Ihr bereits eine staatliche Unterstützung erhalten oder habt Ihr Hoffnung darauf, dass der Staat Euch unterstützt?

Peter Harasim: Wir haben bislang – sehr überschaubare – Unterstützung erhalten. Es wird nicht genügen – weder für uns noch für die Veranstaltungs-Szene insgesamt.

Neckbreaker Magazin: Was hättet Ihr als Teil der Kulturszene anders gemacht, wenn Ihr auf Entscheidungen hättet Einfluss nehmen können?

Peter Harasim: Natürlich müsste mehr für den Erhalt der nicht subventionierten freien Kulturszene gemacht werden. Irgendwann werden die Menschen wieder auf Veranstaltungen gehen können und wollen. Dann müssen die bislang dafür notwendigen Strukturen noch erhalten sein. Wir wissen: wir sind die Letzten in der Kette derjenigen die wieder zum Normalbetrieb hochfahren können denn unsere Events leben ja vom gemeinsamen Miteinander auf engerem Raum – ob im engen Live-Club oder in der bestuhlten Halle.

Neckbreaker Magazin: Wie können Fans und Interessierte Euch ganz konkret unterstützen? Plant Ihr oder habt Ihr schon ein Crowdfunding?

Peter Harasim: Der Hirsch hat über Startnext bereits erfolgreich ein Crowdfunding am Laufen. Wir planen ähnliche Auftritte für unser Pyras Festival, für das Feuertanz Festival und für Lieder am See. https://www.startnext.com/deerfriends

Neckbreaker Magazin: Nach welchen Kriterien plant Ihr eigentlich zukünftige Veranstaltungen, wenn man diese momentan eigentlich gar nicht richtig planen kann?

Peter Harasim: Viele Konzerte werden in den Spätherbst und ins nächste Jahr verlegt. So können wir – wenn wir bis dahin durchhalten können – eines schönen Tages gleich wieder mit einem guten Programm hochfahren. Eine solide und verlässliche Planung sieht aber anders aus.

Neckbreaker Magazin: Befürchtet Ihr einen Overkill an Konzerte im Herbst/Winter?

Peter Harasim: Naja, eher nicht, denn die Menschen werden ein extremes Nachhol-Bedürfnis nach Veranstaltungen haben.

Neckbreaker Magazin: Vor was habt Ihr momentan am meisten Angst?

Peter Harasim: Dass die Forscher kein Medikament gegen Corona finden und die Pandemie und somit unsere Durststrecke noch lange so weitergeht.

Neckbreaker Magazin: Könnt Ihr der Situation eigentlich auch etwas Positives abgewinnen?

Peter Harasim: Die negativen Eigenschaften dieser Pandemie sind so massiv und umgreifend, dass es schon sehr zynisch klingt wenn manche Menschen, deren Lohnüberweisung automatisch jeden Monat passiert öffentlich kundtun wie toll diese Entschleunigung und das Rückbesinnen auf das „Wesentliche“ für ihre geschundenen Seelen sind. Da rollen sich mir die Fußnägel auf.

 

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Bilderquelle: Concertbüro Franken

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