solstafir berdreyminnnb mehrfachwertungSÓLSTAFIR hatten schon eine ziemlich heftige Entwicklung hinter sich, bevor sie mit ihrem dritten Album “Köld” den internationalen Durchbruch schafften. Aber auch danach sind sie nicht stehen geblieben, wenn auch die Entwicklung weniger dramatisch war. Nun liegt die neueste Scheibe der isländischen Atmospheric-Post-Psychedelic-Progressive-Rock ‘n’ Roller vor und die Erwartungen sind nach den hoch gelobten Vorgängern entsprechend hoch. Wenn aber eine Band erstmal 6 Alben alt und dabei auch noch erfolgreich ist, wird zwangsweise die Gruppe derer, die mit der Entwicklung der Band unzufrieden sind, stetig wachsen. Bei SÓLSTAFIR ist der nächste logische Schritt nach “Svartir Sandar” und “Ótta” das neueste Werk “Berdreyminn” und man kann sie in der Ferne schon klagen hören: “Verraten und verkauft”, “geldgeil”, “glattpoliert”, “Popmusik”, “Kommerz”, das volle Programm eben.

Nun gab es in der Zwischenzeit – zum ersten Mal seit 1999 – einen Besetzungswechsel. Oh, und wie dramatisch war dieser Wechsel. Beim zweiten Teil ihrer Europa-Tournee 2015 guckten die Zuschauer ganz schön verdutzt, als da – wohlgemerkt unangekündigt – nicht wie gewohnt Guðmundur Óli Pálmason hinter dem Kit saß. Dieser wurde einen Tag vor Beginn der Tour darüber informiert, dass er nicht mehr Teil der Band sei. Wütende Beschuldigungen seitens des Ex-Drummers und ein eher ausweichendes Statement der Band folgten. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Ein neuer Schlagzeuger namens Hallgrímur Jón "Grimsi" Hallgrímsson wird im Press-Kit als neues Mitglied aufgeführt.

Dieser Wechsel macht sich bemerkbar. Das Schlagzeug auf “Berdreyminn” klingt etwas seltsam, an manchen Stellen ein wenig roboterhaft und im Mix erheblich weiter im Vordergrund als auf vorhergehenden Veröffentlichungen. Ansonsten wird die Hinwendung zu Instrumenten, die eher nicht mit der regulären Rockband assoziiert werden, weiter vertieft. Es gibt jede Menge Streicher, es gibt Klavier und es gibt Synthesizer. Allerdings werden Gitarre und Bass dadurch nicht aus den Songs verdrängt oder unkenntlich gemacht, man hat weiterhin das Gefühl man höre einer Rockband zu.

Überhaupt sind alle Bestandteile, die SÓLSTAFIR in den letzten Alben etabliert haben, vorhanden. Dennoch klingt “Berdreyminn” auf eine beunruhigende Weise anders. Aufgeräumter, steriler, klarer. Das bringt Sänger Aðalbjörn "Addi" Tryggvason durchaus etwas in Schwierigkeiten. Seine “speziellen” Sangeskünste konnten vorher im etwas dreckigen Mix gut versteckt werden. “Berdreyminn” fördert aber alle Unzulänglichkeiten zu Tage. Andererseits wird es diejenigen, die sich vorher nicht an seinem Gesang störten, auch jetzt nicht stören.

Der Opener “Silfur-Refur” startet mit einer Hommage an Ennio Morricone und schlägt im weiteren Verlauf deutliche Brücken zu “Ótta”. Die darauffolgenden Stücke “Ísafold” und ”Hula” sind da schon etwas gemäßigter und Fans der alten Stunde werden das Album spätestens an dieser Stelle mit einem Fläschchen Feuerzeugbenzin den alten Göttern geopfert haben. Der weniger konservative Fan wird belohnt mit Backing Vocals, die straight aus der Kehle von CHELSEA WOLFE zu stammen scheinen. Synthesizer-Flächen und Klavier zaubern eine großartige, düstere Atmosphäre mit den SÓLSTAFIR-typischen, epischen Harmonien. “Nárós” und “Hvít Sæng” steigern sich dann wieder in amtliche Rocknummern und Lead-Gitarrist Sæþór Maríus "Pjúddi" Sæþórsson zaubert gewohnt unvergleichliche und entrückende Melodien. Beim abschließenden “Bláfjall”, einer der Höhepunkte, schimmert dann wieder etwas Metal durch. Bis dahin hat die Hartwurst-Fraktion aber ohnehin schon längst abgeschaltet.

Wenn zwischendurch dann wieder der E-Bow erklingt, könnte man für einen kurzen Moment denken, es hätte sich doch gar nicht so viel verändert. Aber es hat sich eine ganze Menge verändert. Die Band ist erwachsen geworden. Es wird weniger experimentiert, alles klingt durchdacht und professionell. Man verlässt sich auf etablierte Strukturen und Sounds, ist dabei aber nicht weniger progressiv. Und wenn nach “Bláfjall” dann die Playlist wieder zurückspringt auf “78 Days in the Desert” – den ersten Song von “Köld” – dann merkt man, dass der Unterschied vielleicht doch gar nicht so prägnant ist.

“Berdreyminn” ist die absolut logische Konsequenz aus “Svartir Sandar” und “Ótta”. Das Album ist sehr gut produziert und die Songs sind abwechslungsreich und nicht überladen. Kleine Hits, wie “Köld”, “Lágnætti”, oder “Fjara” finden sich zwar nicht, aber es gibt keine Komplettausfälle. Dafür gibt es ein dichtes, stimmiges und vor allem reifes Album. Man könnte sich sogar ganz vorsichtig aus dem Fenster lehnen und behaupten, es wäre ihr bisher bestes Werk. Es könnte aber definitiv zu ihrem umstrittensten werden. (Uwe)

Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 57:23 min
Label: Season Of Mist
Veröffentlichungstermin: 26.05.2017

Bewertung:

Uwe9,0 9 / 10


Anne7,0 7 / 10

Pfaelzer 7,5 7,5 / 10

Maik7,5 7,5 / 10

Matthias7,5 7,5 / 10

Pascal8,5 8,5 / 10

Alex2 7,57,5 / 10

Karin 8,58,5 / 10


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