Am 21. Februar 2016 schien sich alles verschworen zu haben, die größte polnische Progressive Rock-Hoffnung stand von einem auf den anderen Moment vor dem Aus. Mit Gitarrist Pjotr Grudzinski verstarb ein wichtiger Baustein ihres dichten Sounds völlig unerwartet und hinterließ eine nicht zu füllende Lücke. Das oft zitierte „es wäre in seinem Sinne gewesen“ war es vielleicht, das die übrigen Drei mehr als ein Jahr später zurück auf die Bühne trieb, mit dem Entschluss weiter zu machen. Zuletzt hat Frontmann Mariusz Duda auf zwei LUNATIC SOUL-Alben versucht die Trauer und den Schmerz zu verarbeiten, nun steht der erste Longplayer mit RIVERSIDE nach dem Tod des Freundes an. Hat er mit seinem Soloprojekt noch das Leben nach der Tragödie und den Weg zurück thematisiert, so nimmt er sich hier den Gedanken an, die unmittelbar danach durch die Köpfe der Bandmitglieder gingen. Zu welchen Tönen kann die Formation diese auf „Wasteland“ formen?
Bereits im Statement zur Rückkehr machte Duda deutlich, dass es in Zukunft eine andere Band sein wird. Um das zu verdeutlichen führt der Albumtitel nicht mehr die Wortspiele weiter, für die man bislang bekannt war, sondern beschreibt wo sich das Trio emotional wähnt. Analog dazu ist auch das Cover trostlos wie eine Endzeitlandschaft gehalten, die Überlebenden versuchen mit der Situation klar zu kommen. Diese Kargheit hört man der Musik schon nach wenigen Sekunden an, denn die Produktion fällt um einiges rauer, direkter, ja bedrohlicher aus. Vorbei sind die Zeiten von voluminösem Wohlklang und neoproggigen Klangwolken, die Polen geben sich wieder härter und haben auch den Metal wiederentdeckt.
Natürlich stand von Beginn an die Frage im Raum, wer nun fortan die Gitarre bedienen wird, auf der Bühne tut das Maciej Meller, der auch einige Parts zu der Scheibe beigetragen hat. Den Großteil übernimmt der Hauptsongschreiber selbst, dazu hat Mateusz Owczarek ihrer Kollegen LION SHEPERD ein Solo eingespielt. Allen drei ist eines gemein, sie erreichen nicht den präzise und warmen Ton des Ausnahmekönners Grudzinski. Vielleicht hat man auch deswegen das Klangbild bewusst so unbehauen gelassen, um einfach die Zeitenwende zu unterstreichen.
Owczarek outet sich in seinem kurzen Auftritt als kleiner Gitarrenheld, der die Noten fliegen lässt, der gute Pjotr war ja stets um Understatement bemüht. Meller bringt ein wenig den Blues ein, was aber gut zur melancholischen Stimmung passt. Duda wählt ebenfalls eine offenere Stimmung, was manch balladesken Moment zu gewöhnlich wirken lässt. Im Rhythmusbereich bedient er sich wieder verstärkt klar vom Death Metal beeinflussten Riffs. Diese fallen jedoch doomiger aus, in der Nähe zu dem, was die Peaceville Three einst in ihren Anfangszeiten zauberten.
Zur Atmosphäre des nunmehr siebten Longplayers passt dies indes sehr gut, sowohl von der Rohheit her, wie auch als Ausdruck von Trauer, welche das komplette Album beherrscht. Schon der pastorale Auftakt wirkt fast wie ein Grabgesang, die Emotionen gehen teilweise so tief, dass es schmerzt. Auffällig sind auch die extremen Kontraste, die RIVERSIDE so bislang noch nicht ausgereizt haben, neben den düsteren Gitarren gibt es auch sehr viele Klanglandschaften und akustische Momente, die nicht so süßlich ausfallen wie gewohnt.
Zusammen mit der etwas reduzierteren Rhythmik bewegt sich das in Richtung LUNATIC SOUL, die Grenzen beginnen zu verschwimmen. Kein Wunder, denn nachdem ein kompositorischer Gegenpol nicht mehr unter uns weilt, sind die Akzente, die Keyboarder Michal Lapaj setzen kann auch eher spärlich gesät. Dabei bemüht er sich um Neues, lässt auch mal das Piano erklingen, darüber hinaus weinen noch die Streicher von Michal Jelonek. Zwar sind das Klangfarben, welche die Formation so noch nie genutzt hat, doch es sind eben auch Elemente, die man schon öfter gehört hat.
So verliert sie auch hier etwas an Profil und Schärfe, es hat sich definitiv etwas geändert, doch man tut gut daran, dem Rechnung zu tragen. Vielleicht ist die weniger eigenwillige Herangehensweise sogar eine Chance, jedenfalls besser als mit der Brechstange alte Strukturen zu kopieren. Veränderungen sind wichtig, gerade in dem Genre, und selbst mit Pjotr Grudzinski wäre „Wasteland“ ein weiterer Schritt nach vorne geworden, wenn auch ziemlich sicher mit anderem Titel.
Trotz der Entwicklung sind RIVERSIDE immer noch zu erkennen, die akzentuierten Riffs sind immer noch da. Der markante Bass und die Stimme von Duda, welche hier vergleichsweise etwas tiefer eingesetzt wird, prägen seit jeher ihre Songs. Auch die ganzen Verzierungen, die Lapaj aus Orgel und Synthesizern holt wirken selbst aus dem Hintergrund. Und betörende Melodien schütteln sie immer noch reihenweise aus dem Ärmel. Natürlich wird es hier ebenfalls den ein oder anderen geben, der Cliff Burton-like fabuliert was mit dem verstorbenen Gitarristen gewesen wäre, viel besser hätte man es aber nicht machen können, gemäß der Umstände ist das großartig. (Pfälzer)
Bewertung:

8 / 10
Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 50:58 min
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 28.09.2018