Albert Hammond - Christmas

Warum rezensiert man in einem Rockmagazin ein Weihnachtsalbum, wenn es nicht gerade von einer belanglosen Metal-Band stammt, die im Glauben originell zu sein, unerträgliche Persiflagen bekannter Weihnachtssongs zum Besten gibt? Ich glaube, die Frage ist einfach zu beantworten: weil es in unserer Wertekultur essenziell wichtig ist, sich einfach mal der ruhigen Zeit zu besinnen. Auch wenn spirituell die Weihnachtszeit heute nicht mehr die Bedeutung vergangener Tage hat, so weckt sie doch bei den meisten Menschen unseres Kulturkreises starke Emotionen und wiederkehrende Sinneseindrücke, geprägt von Erinnerungen an die Kindheit und an eine unbeschwerte Zeit. Darin verankert ist die Botschaft, und das hat gar nichts mit Religion zu tun, einfach mal das Tempo raus zu nehmen in dieser schnelllebigen Welt und sich vielleicht einmal dem Hass der digitalen Technologien zu entziehen.

Dazu gehören neben Christbaum, geschmückten Häusern, Schneefall und bestimmten Düften, die man mit dieser besonderen Zeit impliziert, vor allem…Weihnachtsmusik. So wechselt dann auch der hartgesottene Rocker mal die Musikrichtung zur Weihnachtszeit, um die Magie der besinnlichen Winterruhe zu genießen. Da es aber trotzdem noch ein wenig rocken soll, wird es dann schwierig, denn Frank Sinatra oder WHAM ertrag ich dann auch nicht.

Neben meinen Favoriten vom TRANS-SIBIRIAN ORCHESTRA, dem „Christmas Album“ von JETHRO TULL und „Christmas Time Again“ von LYNYRD SKYNYRD, habe ich jetzt das erste Weihnachtsalbum von ALBERT HAMMOND, dem ikonischen Songwriter und angesehenen Musiker vorliegen, der sich nicht ausschließlich auf seine Pop-Erfolge wie „The Free Electric Band“ oder „It Never Rains in Southern California“ reduzieren lässt, sondern genreübergreifend unzähligen anderen Künstlern, darunter ART GARFUNKEL, TINA TURNER, WILLIE NELSON oder THE HOLLIES, große Charterfolge bescherte. Nicht umsonst wurde der vielbeschäftigte Brite 2008 in die Songwriters Hall Of Fame aufgenommen.

Nun erscheint am 08. November via earMusic sein erstes Weihnachtsalbum mit dem schlichten Titel „Christmas“. Es enthält neben der Neuauflage seines selbst komponierten Welthits „Under The Christmas Tree“, der in einer lockeren Pop-Ballade das aufgreift, worum es an Weihnachten eigentlich geht, nämlich Liebe und Hoffnung, eigene Interpretationen von 15 weltbekannten klassischen und modernen Weihnachts-Hits. Dies macht der mittlerweile 80-jährige Protagonist wunderbar mit seiner in Würde gealterten Stimme, die perfekt zu den oftmals minimalistisch reduzierten Instrumenten passt.

Das hört sich ziemlich gut an; ohne Pomp und riesige Orchester, er setzt maximal gekonnt einen Chor ein, wie z.B. bei „Mary`s Boy Child“; er erzeugt eine unbeschwerte Fröhlichkeit bei dem tanzbaren „Rudolf The Red Nose Reindeer“ und sorgt für große Emotionalität bei der nur mit seiner Akustikgitarre begleitenden Version des Chris Rea-Hits „Driving Home For Christmas“. Selbst das totgenudelte „Last Christmas“ wird wieder erträglich durch die rudimentäre Instrumentierung. Mein Favorit ist eindeutig „God Rest Ye Merry Gentlemen“, das sehr cool in der Version eines viktorianischen Straßenmusikers rüberkommt. Sehr harmonisch und melodisch stellt sich Albert Hammonds Version von „White Christmas“ dar, irgendwie viel cooler, ohne den Schmalz eines Bing Crosby, das erhabene, fast gesprochene, „Silent Night“, entfaltet als Schluss-Song mit der brüchigen Stimme eine fast mahnende Botschaft, unterlegt von schweren Keyboard-Klängen. Der auf dem Album unterstützende Chor aus Gibraltar, mit Menschen im Alter zwischen 4 und 18, versorgt die Songs mit emotionaler Weihnachtswärme, die jedoch vom Kitsch befreit ist.

Fazit: Ein wirklich erwähnenswertes Album, das die Essenz der Weihnachtszeit gut einfängt und die alten und modernen Klassiker in hellem Glanz erstrahlen lässt. Da muss man keine Schubladen öffnen, um die Songs zu katalogisieren. Pop, Rock, Americana und Blues befinden sich hier im Einklang. Das Album ist eine echte Bereicherung, wenn es um Weihnachtsalben und das Gefühl geht, dass früher alles besser war, denn wir wissen ja: „Früher war mehr Lametta“. (Bernd Eberlein)

Bewertung:

8,5 7 / 10

Anzahl der Songs: 15
Spielzeit: keine Angabe
Label: earMusic
Veröffentlichungstermin: 08.11.2024

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