Mit ihrem vierten Album „None For All“ katapultieren sich die Schweizer Präzisionsthrasher COMANIAC endgültig in die erste Reihe. Ein wahrer Ohrenschmaus für die Zielgruppe und auch für den ein oder anderen Fan „normalen“ Metals. Wir klopften mal kurz bei Sänger und Gitarrist Jonas an, um den aktuellen Stand zu erfahren.
Ralf: Grüezi Jonas und COMANIAC! Zuerst möchte ich zum neuen Killeralbum gratulieren.
Jonas: Vielen Dank! Ich glaube wir dürfen auch als bescheidene Schweizer tatsächlich etwas stolz sein, nach so vielen Jahren kontinuierlicher Entwicklung und endlos wirkenden Aufnahmesessions ein solches Baby erschaffen zu haben.
Ralf: Bei „None For All“ habt ihr Euch in allen Belangen gesteigert. War das Euer Ziel?
Jonas: Ich würde behaupten es war schon immer unser Ziel, uns in allen möglichen Belangen zu steigern. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg. In einigen Fällen braucht es gar einen Perspektivenwechsel, um den nächsten Schritt einzuleiten. Und dabei hat bei uns Corona eine wichtige Rolle gespielt. Während den harten Pandemie-Jahren haben wir gemerkt, wie sehr es uns motivieren kann, persönlich und auch als Band mit der Musik zu wachsen. Wenn über Jahre die Gigs wegbleiben und die Distanz zu den Zuhörern unendlich zunimmt, braucht es ein neues Bewusstsein für die eigene Musik. Ich glaube diese Form von „Isolierung in die Musik“ hat uns eine neue Perspektive aufs Songwriting gegeben und den Weg für „None For All“ geebnet.
Ralf: Vor allem der Gesang hat eine große Entwicklung gemacht. Selbst vor cleanen, balladenmäßigen Sachen wird nicht zurückgeschreckt. Wie kommt diese Entwicklung?
Jonas: „None For All“ ist nach dem Debutalbum, auf dem hauptsächlich authentische Teenie-Aggressionen zu hören sind, das erste Album, mit dem ich gesanglich zufrieden bin. Ich wünschte ich hätte etwas mehr Talent und hätte für diese Gesangsentwicklung nicht acht Jahre gebraucht. Doch man kann nicht alles erzwingen und ich habe immer 100% gegeben. Von dem her ist es eine stimmliche Reise, die hoffentlich noch lange weitergeht und bei der es entscheidend ist, auf welchen Schwerpunkt wir in den Vocals setzen möchten. Wir lieben Metal generell und wollen selber immer wieder an unserer Komfortzone kratzen, um neue Genres zu erschließen. Die Leidtragenden sind dann die Hörer, die ab und zu auf ein Lied stoßen, das vielleicht nicht ganz ihren Erwartungen entspricht.
Ralf: Das Album ist sowohl technisch aber dennoch eingängig. Seht ihr das auch so?
Jonas: Absolut. Wir sind alle in der Band zu einem gewissen Grad Prog-Fans und vermissen in unserem Lieblingsgenre Thrash Metal oft das Spiel mit der Dynamik in der Musik sowie einen eingängigen Refrain, der nicht nur aus Teamshouts besteht. Das waren vor allem die Schwerpunkte, die wir in „None For All“ umzusetzen versuchten.
Ralf: Die Produktion knallt auch gut. Was gibt es über die Studioarbeit bzw. den Aufnahmeprozess zu berichten?
Jonas: Es war die Hölle und die schönste Zeit meines Lebens zugleich. Ich hatte von Beginn weg das Gefühl, dass wir mit diesem Album musikalische Ziele erreichen könnten, die ich seit Jahren verfolgte. Dementsprechend arbeiteten wir an jedem Detail mit doppeltem Eifer. Dass wir das gesamte Album in Eigenregie produzierten half uns, alle unsere Vorstellungen auch umzusetzen und nicht auf einen externen Produzenten zu hören, der uns sagt „es ist schon spätabends, das ist gut genug“.
Ralf: Steckt eine spezielle Message hinter dem Titel „None For All“?
Jonas: Die Thematik in den Songs handelt von der Gratwanderung zwischen Empathie und Gleichgültigkeit in der Gesellschaft, aber auch im Konflikt mit sich selbst. Wie sehr kann ich auf mein Gegenüber eingehen und versuchen, andere Meinungen und Argumente zu akzeptieren? Und wie oft schaue ich bei existenziellen Themen weg, weil ich einfach keine Energie und Lust habe, mich damit zu befassen? Das sind kritische Auseinandersetzungen mit Themen wie kapitalistische Ausbeutung, Meinungsfreiheit, die Rolle moderner Technologie oder Selbstzweifel. Aber auch eine gehörige Ladung Corona-Eindrücke schwingen da und dort mit. Unglaublich, wie viel Hass und Unverständnis es von allen Seiten hagelte während diesen Jahren.
Ralf: Stichwort Corona. Wie war das damals für Euch nicht touren zu können. Die „Holodox“ ging ja regelrecht unter...?
Jonas: Die Live-Lücke sowie die dadurch begrenzte Promo-Möglichkeit für „Holodox“ hat natürlich wehgetan. Besonders, weil wir damals mit neuem Bassisten und fokussierter Ausrichtung in technisch versierten Thrash Metal mit neuem Elan durchstarten wollten und finanziell mit dem Produzenten Tommy Vetterli von CORONER viel investierten. Neben einer handvoll Festivals war es vor allem die „Activate Europe 2022“ Tour als Support von VEKTOR, mit der wir das Album dem Metal-Publikum vorstellen konnten. Rückblickend war es aber trotzdem in dem Sinn eine bereichernde Zeit, dass wir uns mit vollem Fokus dem Songwriting und der Produktion für „None For All“ widmen konnten.
Ralf: Eigentlich bin ich ja der Meinung, dass Thrash Metal nicht zu viele Experimente enthalten sollte. Damals in den Neunzigern kam fast nur Schrott raus, da die Thrash-Bands meinten sich zu sehr weiterentwickeln zu müssen. Das trifft auf Euch nicht zu, oder?
Jonas: Ich hoffe nicht, haha. Ich mag das musikalische Experimentieren. Aber es ist so: nicht alles muss davon an die Öffentlichkeit. Immer mehr merke ich, wie wichtig das Genre-Denken für uns Metalheads ist und das ist auch nicht negativ gemeint. Wir möchten einfach wissen, mit was wir es zu tun haben. Unser Anspruch als Band ist aber schon, unser liebstes Metalgenre aufzufrischen. Aber es ist eine Gratwanderung, der wir uns gerne stellen. Eine weitere SLAYER-Imitation braucht auf jeden Fall kein Schwanz.
Ralf: Ihr hattet die Gelegenheit mit allerlei coolen Acts zu spielen. Habt ihr keine netten Anekdoten für uns?
Jonas: Ich weiß nicht wie mein Hirn funktioniert, aber es erinnert sich ziemlich ausschließlich nur durch Bilder an Vergangenes. Von dem her: zeig mir ein Bild und ich kann dir dazu etwas erzählen, haha.
Ralf: Verletzt ihr Euch immer noch auf der Bühne so oft?
Jonas: Das hat deutlich nachgelassen, zum Glück. Wir haben unterdessen richtig gutes Equipment und sind froh, dass wir nicht mehr konstant bluten.
Ralf: „None For All“ sollte ja auch live promotet werden, wie sieht`s mit Gigs aus?
Jonas: Wir haben einige Shows in der Schweiz und arbeiten an Shows in Europa. Aber es gestaltet sich zurzeit immer noch als schwierig, Shows zu spielen. Wir hoffen, dass da noch etwas mehr Rückmeldung vor allen vonseiten Festivals kommt nach all den tollen Rezensionen zum Album.
Ralf: Wer hat Dich damals mit dem Metalvirus infiziert?
Jonas: Ganz klar RAMMSTEIN mit „Mutter“ und LINKIN PARK mit „Meteora“. Beide Alben durfte ich als gebrannte CDs von meinem Bruder ausleihen. Damals hatte er noch einen PC im Zimmer mit dem Aufnahmeprogramm Cubase. Das nutzte ich immer, wenn er nicht zuhause war, um Songideen aufzunehmen. Die akustische Gitarre meiner Mutter diente zum Riffen und Trommeln zugleich. Erst kürzlich bekam ich von ihm eine CD mit all den alten Aufnahmen, ich hab mich weggeworfen. Mein Bruder hört aber unterdessen kein Metal mehr und ich bin auch besser bei Bands wie EXODUS, NEVERMORE oder OPETH aufgehoben.
Ralf: Danke für die Ehre dieses kleine Interview zu führen
Bildquelle: Band
(Ralf)