Interview mit Stefan (Adorned Graves)

interview adornedgraves 01Wer immer schon dachte, dass Metal mit christlich angehauchten Texten nur was für Softies wäre, der sollte einmal ADORNED GRAVES aus Kaiserslautern antesten. Ihr Mix aus Thrash & Doom der alten Schule ist extrem hart und rumpelig, technisch und dennoch melodisch. Oberhäuptling & Trommel-Mann Deafon aka Stefan hatte durchaus Interessantes zu berichten.

Ralf: Hi Stefan, alles klar im ADORNED GRAVES Camp?

Stefan: Hallo Ralf! Jawohl, danke der Nachfrage! Unsere aktuelle Besetzung sind: Martin / Cailen (Gesang, Gitarre), Stefan / Deafon (Schlagzeug), Andreas Wormser (Gitarre), Luis (Bass).
Dieses Jahr haben wir viel erlebt mit Konzerten in Schweden, Schweiz und Deutschland.
Wir haben soeben einen neuen Song geschrieben und ihn live präsentiert („Killing Black“ - stilistisch eine Mischung aus Old School SLAYER und RUNNING WILD) und hoffen im nächsten Jahr wieder ein paar Aufnahmen machen zu können.

Ralf: Du und Dein Bruder seid ja im Grunde mit Christian Metal aufgewachsen? Wie muss ich mir das vorstellen STRYPER, BLOODGOOD & VENGEANCE RISING statt METALLICA, PRIEST & SLAYER oder was und wie kommt man eigentlich dazu?

Stefan: Das ist eine schöne Frage! Eigentlich waren meine ersten Lieblingsbands AC/DC, HELLOWEEN, IRON MAIDEN und SCORPIONS. Alsbald wurden mir diese christlichen Bands empfohlen, nämlich PETRA, BLOODGOOD und STRYPER. Da ich eine christliche Erziehung genossen habe und man als Metaller ja gerne etwas gegen den Strom schwimmt, folgten nun einige Jahre in denen ich mich ausschließlich dieser Musik widmete. Es gab unendlich viel zu entdecken und gerade diese Ablehnung, die man leider häufig erfuhr („christliche Musik kann nicht hart/gut sein“) hat womöglich dazu beigetragen, erst recht diese Formationen zu unterstützen. Bis heute ist für mich ein Fakt, dass es in diesem Sektor unterbewertete Bands gab und gibt.

Ralf: Viele Metalfans haben Vorurteile gegen Christian Metal und neigen eher zur dunklen Seite, dabei gibt es ja so ziemlich alles: VENGEANCE RISING oder MORTIFICATION für die Extremfraktion, für Proggies TOURNIQUET, für Thrasher DELIVERANCE, SEVENTH ANGEL oder BELIEVER, für Hardrocker NARNIA oder HOLY SOLDIER, PARAMECIUM für die Doomer usw. Was denkst Du darüber?

Stefan: Ich habe bis heute Probleme mit Vorurteilen und natürlich im Besonderen Vorurteilen gegenüber meinen Lieblingsbands. Es hat mich stets irritiert, wenn jede White Metal Band mit STRYPER gleichgesetzt wurde. Das ist etwa das selbe, wie wenn man jede Heavy Metal Band mit KISS in einen Topf werfen würde! Ein weiteres Vorurteil war, dass diese Bands nur predigen und bekehren wollen. Ich habe das so nicht erlebt. Ausnahmen gibt es immer und leider auch negative Beispiele. Aber leider wurden gerade diese gerne verallgemeinert.

Ralf: Aber SLAYER und BLACK SABBATH konntest Du Dir früher aufgrund der satanistischen Texte nicht anhören?

Stefan: Naja, eine Zeit lang kann man das wohl so sehen, denn damals hatte ich genügend aufregende Musik zu entdecken. Da wirkten manche Bands auch abschreckend auf mich als Jugendlichen, wie deine beiden Beispiele und somit bestand keine Notwendigkeit, diese anzutesten. Mitte der Neunziger gab es aber in der christlichen Szene so viele Enttäuschungen und Bandauflösungen, dass ich mich mehr für den üblichen Markt öffnete. Ganz einfach, weil ich schon immer neugierig und vor allem musikbegeistert war. Es hat Riesenspaß gemacht, wieder die alten HELLOWEEN Scheiben aufzulegen, BLIND GUARDIAN und GAMMA RAY zu entdecken und nach und nach eben auch Formationen wie SLAYER, BLACK SABBATH, OZZY OSBOURNE, DEATH, NILE oder AMORPHIS. Ich mag die härteren Stilarten und extreme Musik bringt oftmals extreme Texte oder Einstellungen mit sich. Manchmal habe ich damit auch heute noch ein Problem und manche Bands mag ich weniger, wenn mir nicht gefällt, was sie singen. Aber manchmal kann man darüber hinweg hören, wenn die Musik gut ist oder die Texte als Kunst verstanden werden können. Im Endeffekt wird vieles weniger heiß gegessen, als es gekocht wird.

Ralf: Wann kam es zur Gründung von ADORNED GRAVES und wie kamt ihr auf den Namen?

Stefan: Das offizielle Gründungsjahr lautet 1993. Für uns das Jahr der Flaute im traditionellen Metal, wo wir selbst jetzt die Musik spielen wollten, die wir liebten und die damals auf dem Markt durch Grunge verdrängt wurde. Aber mit meinem Bruder zusammen hab ich schon immer Musik gemacht und komponiert, da es unsere gemeinsame Leidenschaft ist. Den Namen hat Martin gefunden, denn er ist für unser textliches Konzept verantwortlich. Der Bandname stammt aus einem Zitat aus der Bibel, wo Jesus zu den superfrommen Pharisäern sinngemäß sagt: Ihr seid nach außen hin die tollsten Personen und wollt jedem weiß machen, was für Vorzeigemenschen ihr seid. Ich kann jedoch sehen, wie ihr tatsächlich seid, nämlich innerlich unrein und zerfressen von Maden. Ihr seid wie geschmückte Gräber! Wow! Es war leicht, mich für diesen Namen zu begeistern und er steht eben auch dafür, wie wir Menschen uns manchmal gegenseitig etwas vorgaukeln.

Ralf: Ihr arbeitet viel mit Metaphern und Zitaten aus der Bibel. Gibt es da ein spezielles Konzept?

Stefan: Stimmt, auf unserem Debutalbum gibt es da so einen roten Faden und ein Konzept, das sich durch den ganzen Tonträger zieht. Textlich macht es einfach Spaß mit Worten zu spielen und zu probieren, was gut klingt oder einen anspricht. Normalerweise verhält es sich bei uns beim Texten so, dass Wortfetzen oder Satzbausteine wie eine Collage zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Das ist ein kreativer Prozess. Beim Debutalbum allerdings sollte das textliche Konzept einen Zusammenhang und einen Leitgedanken haben. Das Thema war klar: Tod, Sterben und neues Leben. Dabei eignete sich die Metapher „Wasser“ als Leitmotiv hervorragend, da Wasser etwas absolut Elementares, Ursprüngliches und Lebenswichtiges ist. Allerdings kann es auch Tod und Zerstörung bringen, durch Ertrinken oder einen Tsunami etwa. Im Christentum wird das im Symbol der Taufe versinnbildlicht. Und unsere Hauptinspirationsquelle, die Bibel beginnt u.a. mit den Worten: „Alles war wüst und leer und Gottes Geist schwebte über den Wassern“. Dann brauchte ich zum Thema nur nach weiteren Metaphern, Zitaten und Symbolen im Alten Testament und Neuen Testament zu suchen, konnte diese zusammenfügen und das Textkonzept entwickelte sich ähnlich wie oben beschrieben.

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Ralf: Meine Lieblingsstelle aus der Bibel ist wie Jesus aus Wasser Wein machte, was wäre Deine?

Stefan: Das ist mal sicher eine gute Stelle! Sie hätte sogar in unser Textkonzept der CD gepasst! Nach meiner Auffassung gibt es in der Bibel viele Teile, die man so oder so auslegen kann. Das finde ich das Spannende daran. Es gibt gute Ratschläge, die einem im Leben hilfreich sein können, aber es finden sich auch Stellen, über die man streiten kann. Das finde ich interessant und spannend. Generell nehme ich für mich zusammenfassend aus den Texten der Bibel mit, dass man mit Liebe und Vernunft im Leben agieren sollte.

Ralf: Ihr spielt ja Old Schol Thrashmetal und obwohl Eure Musik recht komplex ist hat sie diesen „Rumpelfaktor“, was ich gut finde. Ein zu moderner Sound passt irgendwie nicht zu Euch – wie siehst Du das?

Stefan: Ja, das hast du sehr gut beschrieben. Wir waren früher auch noch rumpeliger und grober. Dadurch, dass wir mit Andreas aber einen richtig guten Leadgitarristen in der Band haben, legen wir zumindest bei den Aufnahmen etwas mehr Wert auf Struktur, Mehrdimensionalität und Musikalität. Der Rumpelfaktor sollte dabei aber auf keinen Fall verloren gehen, weil er eben auch ein Markenzeichen unserer Band ist.

Ralf: Meine Lieblingschristenbands sind TROUBLE & SACRED WARRIOR...Gute Wahl?

Stefan: Für mich: Sehr gute Wahl! Ich tue mir aber mit der Definition und Kategorisierung schon schwer. Sind TROUBLE eine christliche Band? Sicher hatten sie früher viele Texte geschrieben, die von der Bibel inspiriert waren. ALICE COOPER oder MEGADETH könnte man ja aus verschiedenen Gründen auch als Christenbands bezeichnen. Darüber möchte ich im Endeffekt aber auch nicht streiten: Weder darüber in welche Kategorie eine Band passt, noch ob ihre Musik gut ist, denn das ist schließlich persönlicher Geschmack. Aber ja, ich habe SACRED WARRIOR schon live erlebt und bin ebenso ein großer TROUBLE-Fan!

Ralf: Ihr seid kürzlich für ein Festival sogar in Schweden aufgetreten, was kannst Du mir da zu erzählen?

Stefan: Es war eine tolle Erfahrung und wir hatten ein super Wochenende! Unser Auftritt hat auch großen Spaß gemacht, denn wir hatten einen super Sound und wurden technisch absolut professionell betreut. Ansonsten war es aber eher eine kleinere Veranstaltung.

Ralf: Jetzt kommt eine schwierige Frage: nenne bitte die Deiner Meinung nach 10 besten Christian Metal Platten!

Stefan: Das ist eine leichte Frage für mich, denn ich bin diesbezüglich ein Listen-Nerd, also rein subjektiv und tendenziell Thrash Metal. Ich könnte jetzt viele Kommentare schreiben und wir müssten noch diskutieren, was jetzt wirklich Christian Metal ist, aber das würde ausufern. Also:

BELIEVER - Extraction From Mortality
VENGEANCE RISING - Human Sacrifice
BLOODGOOD - Bloodgood
TOURNIQUET – Stop The Bleeding
THE CRUCIFIED - Crucified
SAVIOUR MACHINE - Saviour Machine
MORTIFICATION - Scrolls Of The Megilloth
SEVENTH ANGEL - Lament For The Weary
STRYPER - Soldiers Under Command
DELIVERANCE - Deliverance

Ralf: Wie sieht es an der Livefront aus – ist da was geplant für 2019?

Stefan: Derzeit gehen die Planungen eher in Richtung komponieren.

Ralf: Gibt es noch irgendwas, das Du unseren Lesern mitteilen möchtest?

Stefan: Habt Spaß, genießt geile Musik, unterstützt den Underground, sammelt eure eigenen Erfahrungen und Informationen und bleibt dabei offen und tolerant.

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Bildquelle: Band