Anne: Kannst du unseren Lesern etwas über NECROLEPSIA erzählen?
John: Der allererste NECROLEPSIA-Song wurde 2010 zum Spaß in der Wohnung meines Freundes Harald geschrieben. Zu der Zeit hatten wir einfach Lust darauf, ein wenig lustigen Black Metal zu spielen und es war der Song “Necrolepsia”. Wir schrieben ihn, fanden, dass es ein großer Spaß war, wir lachten und dann lag er für ein paar Jahre herum. Und dann dachte ich “Vielleicht sollte ich etwas ernsthafteres, nicht ganz ernsthaft, aber ein bißchen ernsthafteres damit machen”. Mit der Zeit wurden aus einem Song fünf und dann wurden es zehn. Es entstand also aus diesem winzigkleinen Samen. Eine Sache, die ich in meiner Karriere am häufigsten gemacht habe – beziehungsweise etwas, worüber ich nachdenke, wenn ich ein neues Projekt starte ist, dass es auf den Färöern offensichtlich wichtig für Bands ist, dass sie nicht so klingen wollen wie eine andere. Sie wollen nicht den genau gleichen Stil erschaffen. Jeder, der mal auf der Wacken Metal Battle[Føroyar] war, kann das bestätigen. Von daher wollte ich etwas machen, was bisher noch nie jemand auf den Inseln gemacht hatte. Und so wurde es Black’n’Roll, denn zu der Zeit hörte ich eine Menge KHOLD und SATYRICON und ABBATH und seine Projekte, von daher dachte ich, es würde Spaß machen, das zu tun.
Anne: Warum hat es so lange gedauert, bis das erste Album erschienen ist?
John: Persönliche Gründe. Ich habe viele Lebensveränderungen durchgemacht und musste mein Leben sozusagen ganz neu aufbauen. Ich hatte viele Hindernisse auf dem Weg, von daher brauchte ich eine lange Zeit, um die Energie aufzubringen, dieses Album zu machen und es gut zu machen.
Anne: Warum sind die Texte auf Norwegisch und nicht auf Englisch oder Färöisch?
John: Da gibt es mehrere Gründe. Zu allererst: Norwegen ist der Ursprung des Black Metals wie wir ihn kennen. Auch des Black’n’Rolls wie wir ihn kennen. Dann gibt es historische Gründe: Die Färinger sind genetisch mit den Norwegern verwandt. Wir stammen hauptsächlich von Leuten ab, die an einem bestimmten Punkt in der Geschichte aus Norwegen geflohen sind, also da ist eine Verbindung. Ich habe auch eine direktere familiäre Verbindung nach Norwegen. Mein Großvater war Norweger, aus Bergen. Das sind die Gründe. Und dann wollte ich nicht etwas auf Färöisch machen, weil ich das bereits mit einer anderen Band mache [HAMRADUN, und John ist auch ein ehemaliges Mitglied von HAMFERÐ, deren Texte ebenfalls Färöisch sind]. Und ich fand, dass Dänisch zu sanft war. Ich wollte etwas mit mehr Kanten. Mit einem stärkerem gutturalen Gefühl. Und dann gibt es auch noch eine andere Band auf den Färöern, ÓTTI, die ein Album auf Gøtudansk [das auf den Färöern gesprochene Dänisch] gemacht haben; von daher dachte ich, dass ich der Geschichte und der Musik Tribut zolle – und es einfach auf Norwegisch mache.
Anne: Vielleicht bin das nur ich, weil ich die alten Songs schon so lange kenne, aber ich finde, man kann einen deutlichen Unterschied zwischen den neueren und den älteren Songs hören. Ich finde, sie grooven auf eine andere Art und Weise, sie sind irgendwie weniger aggressiv, aber gleichzeitig klingen sie mehr nach Black Metal, nicht so sehr nach Black’n’Roll. Aber sie klingen auch eigenständiger. In den alten kann man deutlich deine Einflüsse hören, die neuen klingen eigenständiger.
John: Nun, wir haben das Material für die Wacken Metal Battle [Føroyar] 2017 geschrieben; ich glaube, ich habe mir selbst einige strikte Regeln auferlegt: Ich wollte es abstoßend, primitiv, engstirning. Ich hatte auch noch andere Regeln wie keine palm mutes, keine cleanen Gitarren, kein Klargesang, keine Keyboards, diese Art Dinge. Also wirklich enggefasst, und das war es wie wir unsere ersten fünf Songs schrieben. Nachdem sie eine Weile geruht hatten, begann unser Schlagzeuger mit neuen Ideen zu kommen und er schickte mir Riffs und anderes Zeug, das ich dann arrangierte. Es machte ziemlich Spaß, das mit ihm zu machen. Sozusagen die Rollen zu vertauschen. Ich denke, das machte es erfrischend auf eine Art und Weise. Es führte dazu, dass ich weitermachen wollte und ein anständiges Album veröffentlichen wollte anstatt nur einer EP. Also, was an diesem Punkt passierte, war, dass er die Gitarrenparts schrieb und ich programmierte die Schlagzeugparts. Und plötzlich hatten wir drei neue Songs. Der erste Song auf dem Album wurde direkt nach unserer letzten Show 2017 geschrieben und danach war ich wohl mit anderen Dingen beschäftigt. Mit HAMRADUN, und auch bis zu einem bestimmten Punkt mit HAMFERÐ.
Anne: Ich musste mich erst an die neuen Versionen der alten Songs gewöhnen, weil ihr einige Dinge auf dem Album geändert habt. Zum Beispiel vermisse ich ganz besonders den Shout in “Necrolepsia” direkt nach dem sehr hektischen Mittelteil. Auf dem Konzert hast du ihn gemacht, aber er ist nicht auf dem Album. John: Er sollte auf der Aufnahme sein, aber es gibt so viele Details auf dem Album, dass es schwer ist, sie alle im Auge zu behalten. Anne: Wie kamst du auf die Idee das Album mit diesen Ambientsounds enden zu lassen und wie bist du in Kontakt mit dem Typen gekommen, der sie gemacht hat? John: Mein Freund namens Fenrir ist, was man einen Noise-Musiker nennen würde. Kristjan macht interessante elektronische Klänge, das macht er schon seit einigen Jahren und ich dachte, es würde eine gute Stimmung erzeugen, das Album mit einer Soundlandschaft enden zu lassen, die mich an einen Friedhof erinnert. Das war die einzige Vorgabe, die ich ihm gemacht habe. “Kannst du mir zwei Minuten Dark Ambient Noise schreiben, die von einem Friedhof inspiriert wurden?” und das ist, womit Fenrir ankam.
Anne: Du kennst ihn also schon lange.
John: Ja, wir kennen uns seit Jahren.
Anne: Ich wusste nicht, dass William Heinesen so düstere Gedichte geschrieben hat. Ich war überrascht, als ich die Texte las, dass er so düstere Gedichte geschrieben hat, die auch gut zu den restlichen Themen passen. Woher wusstest du das? Bzw., wann hast du dich entschieden, William Heinesens Gedichte für deine Songs zu verwenden?
John: Die Sache ist die – Ich war nie ein großer Texteschreiber. Ich bevorzuge es, mich nur durch Musik auszudrücken. Wenn ich also ein Soloprojekt habe, dann brauche ich immer Texte. Ich habe einen und einen halben für dieses Album geschrieben und der erste wurde 2010 geschrieben. Es passiert also nicht sehr oft, dass ich mich auf diese Weise ausdrücke. Aber wir schrieben Songs, mehr Songs, neue Songs und wir brauchten Texte. Und anstatt dass ich hingehe und einen Lyriker oder Sänger, Freunde von mir, von denen ich sicher bin, dass sie alle sehr beschäftigt sind, frage, dachte ich dass es gut wäre, sich die färöische Dichtung zunutze zu machen. Also begann ich herumzusuchen und zu sehen, was färöische Dichter eigentlich wirklich machen. Ich habe mich immer sehr für William Heinesen interessiert, denn, wie du wahrscheinlich weißt, war er ein Künstler, der viele Medien nutzte, er malte Bilder, er schrieb Romane und offensichtlich schrieb er auch Gedichte. Er drückte sich auf jede in der Kunst zur Verfügung stehende Art aus, scheint es.* Als ich seine Gedichtesammlung auf google books fand habe ich sie durchgeblättert und fand sie ziemlich düster. Sie erschafft eine Atmosphäre, die man fühlen kann. Eine Art düsteres Land, eine Art kaltes Land. Also dachte ich, dass das gut funktionieren würde. Und du weißt, er ist tot, er hat also nicht wirklich etwas dazu zu sagen, wie ich sie verwende.
Anne: Weißt du wann diese Gedichte geschrieben wurden?
John: Nein. Ich habe die Gedichtesammlung, meine Freundin schenkte sie mir als Buch, aber ich habe nicht nach den Jahren geschaut. Wie du in deinem Albumreview geschrieben hast, könnte es während des zweiten Weltkriegs gewesen sein.
Anne: Ich konnte mich damit identifizieren, jetzt, wo wir wieder einen Krieg in Europa haben. Ich dachte, es könnte sein, dass dies vielleicht seine Gefühle waren, die er hatte, als er während des Krieges gezwungen war, in Dänemark zu bleiben und nicht nach Hause zurrückkehren konnte und den Krieg überall um sich herum hatte.
John: Das denke ich. Es wäre ein interessantes Thema um es zu erforschen. Aber nein, ich weiß die genauen Jahre nicht. Mir ging es nur um das Gefühl, das die Worte auslösten und dass sie zum Konzept passten, was sie taten, von daher war das gut.
Anne: Ich finde der Song, der am meisten hervorsticht, weil er so anders klingt und auch einen anderen Text hat ist natürlich “Foruten Vind”. Warum hast du dich entschieden, diesen auf dem Album zu haben und wie bist du auf die Idee gekommen, eine Black’n’Roll-Version des Songs zu machen?
John: Es war die Idee von Sigurð, unserem Schlagzeuger. Er sandte mir die Riffs und sang auch etwas und er fand, dass wir etwas damit anstellen sollten. Und ich fand, dass es soo verschieden vom Rest war, dass es eine interessante Herausforderung wäre zu versuchen es passend zu machen. Und letztendlich hat der Song den längsten Blast-Beat-Teil des gesamten Albums. Also ich finde, er wird zum Ende hin ziemlich hart. Es ist ein lustiger Mix aus neuem Zeug und einigen Elementen, die die Leute mögen könnten. Der ursprüngliche Song ist auch ziemlich kurz; er hat nur zwei Strophen, “vem kan segla” [wer kann segeln] und dann “jag kan segla” [ich kann segeln] und dann brauchten wir noch eine dritte Strophe, also wurde es ein wenig anklagend. “Du kannst nicht segeln”. Ich finde, dass es so anders war, war eine lustige Herausforderung. Und die Leute scheinen es live gut aufzunehmen. Also das war nett.
Anne: Das führt auch zu meiner nächsten Frage: Wie hat dir das Konzert gefallen? John: Es war sehr schön. Ich war wahrscheinlich etwas nervös. Ich stehe nur sehr selten in der Mitte der Bühne, egal bei was. Aber ich realisierte, dass wir ein Album herausgebracht hatten und dass es angebracht wäre, ein Releasekonzert zu veranstalten. Obwohl das Album schon ein paar Monate vorher herauskam. Ich glaube, ich habe es sehr genossen. Wir waren überrascht, dass so viele Leute auftauchten, denn wie du weißt oder herausgefunden hast, haben Färinger die Tradition am 26. richtig feiern zu gehen. Es ist lange her, es ist ein paar Jahre her, seit es ein ähnliches Konzert auf den Färöern gab und ich denke, es bewies, dass es immer noch Fans da draußen in der lokalen Szene gibt, die diese Art Musik live erleben wollen. Es war erfreulich, es war inspirierend und wir denken, dass wir das nächstes Jahr vielleicht nochmal machen.
Anne: Das wäre meine nächste Frage gewesen: Möchtet ihr jetzt mehr Konzerte geben?
John: Ja. Ich meine, es gibt da eine logistische Herausforderung. Drei der vier Leute, die das Konzert gespielt haben leben auf den Färöern, ich lebe in Dänemark, von daher wird es ohne große Schwierigkeiten nur während der Sommer- und Winterferien möglich sein. Aber sicher, warum nicht? Ich denke schon. Ich denke, das Konzert gab uns einen Grund, weiterzumachen. Es ist wahrscheinlich nicht das letzte Mal, dass wir auftreten.
Anne: Denkst du auch darüber nach neue Songs zu schreiben, vielleicht ein zweites Album oder eine EP oder was auch immer?
John: Ja, es gibt noch etwas Material, das es aufgrund von zeitlichen Begrenzungen nicht auf das Album geschafft hat und Sigurð hat schon wieder etwas neues Material geschaffen. Ich habe auch schon über einiges nachgedacht. Vielleicht einen oder zwei oder vielleicht sogar drei neue Songs... Wir werden sehen, was passiert. Wenn es in unseren Köpfen gut genug wächst, dann wird es schließlich veröffentlicht werden.
Anne: Du spieltest und spielst in vielen verschiedenen Metalbands verschiedener Stile – du hast Death Metal gespielt, Doom Metal, Black’n’Roll, Folk Metal. Was ist dein Lieblingsstil zu spielen und welcher dein Lieblingsstil zu hören?
John: Hmmm... Das ist eine gute Frage. In Bezug aufs Hören: Das neueste Zeug, das ich gehört habe, ist Melodic Death Metal. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit ein Konzert von DARK TRANQUILLITY und WOLFHEART besucht. Ich glaube, Melodic Death Metal war immer einer meiner Favoriten, obwohl ich es seit vielen Jahren nicht mehr gespielt habe. Aber ich vermute, dass ich unterbewusst davon beeinflusst bin. Aber was ist mein Lieblingsstil zu spielen? Hm... es ist schwer, sich zu entscheiden. Ich mag sie alle. Ich meine, ich bin jetzt beinahe zehn Jahre bei HAMRADUN, also es wird wohl einen Grund dafür geben. Ich bin kein großer Fan von Folk Metal, aber ich mag diese bestimmte Gruppe von Musikern. Ich finde, sie sind sehr gut und ich bin etwas erstaunt, dass ich zusammen mit ihnen spielen darf. Also das ist ziemlich gut. Lass uns das nehmen. Unsere spezielle Art von Folk Rock spiele ich gerne.
Anne: Wird das Album irgendwann auch in physischer Form veröffentlicht werden?
John: Wir müssen einen Vertrag für eine CD unterschreiben. Also hoffentlich nächsten Sommer. Einige Leute haben danach gefragt, was ich seltsam fand. Aber ich vermute, es gibt Sammler da draußen. Es wäre auch schön für mich, etwas zu haben, was ich auf mein Regal stellen kann.
Anne: Ich finde, es fühlt sich seltsam an, Musik nur als Dateien und nicht physisch zu haben. Vielleicht bin ich altmodisch, aber ich mag es, sie im Regal stehen zu haben.
John: Ja, es fühlt sich echter an. Also ja, wir haben es designed, aber ich absolviere gerade eine Ausbildung und habe noch andere Herausforderungen, aber nächsten Sommer werde ich einen schönen langen Urlaub haben, also mal sehen was passiert.
(Anne)
* William Heinesen (1900-1991) war der berühmteste Autor der Färöer. Er schrieb Romane, Kurzgeschichten und Gedichte, aber er war auch Komponist und bildender Künstler. Seine Kunst kann an vielen Orten auf den Färöern gesehen werden. Er sollte 1981 sogar den Nobelpreis für Literatur gewinnen aber er zog seine Kandidatur zurück, weil er auf Dänisch und nicht auf Färöisch schrieb und er gab an, dass wenn er den Nobelpreis gewinnen würde dafür, dass er auf Dänisch schreibt dann würde das den Kampf für die Färöische Sprache zurückwerfen und er bewundere die Leute, die dafür kämpften, die färöische Sprache zu etablieren und wolle nicht der Grund für einen Rückschritt sein.
Interview mit John Åge Frost (Necrolepsia) - deutsche Version
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